SPORT UND INTEGRATION | Zusammenhalten, Schach & Schnitzel
Neben sportlichem Ehrgeiz, der Erhaltung des Gesundheitszustands und diversen anderen Gründen, hören wir immer wieder, dass es der Sport schafft Menschen zusammenzubringen. Diese Aussage ist in Coronazeiten erstens nur metaphorisch zu verstehen und zweitens etwas worauf sich die Leute wieder freuen. Aber was steckt hinter dem Potenzial von Sport und Integration, warum fühlen wir uns beim Sporteln einander näher, verbundener oder zugehörig?
Wir haben vor Kurzem mit Frau Kineke Mulder gesprochen, die vom Augustin ehrenvoll als Lokalmatadorin bezeichnet wird. Dieser Titel ist nicht nur passend, sondern vor allem auch verdient, denn Kineke kümmert sich seit Jahren um die Belebung der Wiener Schachszene und ist von dort auch nicht mehr wegzudenken. Wir hoffen jedenfalls, dass uns diese Dame nicht nur am Spielbrett der Szene, sondern auch in Österreich erhalten bleibt, denn ihre Ansichten zu Sport und Integration sind weltoffen und vor allem realistisch. Es folgt ein kurzer Auszug aus einem gemeinsamen Gespräch, dass das Team des ÖBSV dazu veranlasst hat sich bereits jetzt über die Schwerpunktthematik der Europäischen Woche des Sports 2021 zu unterhalten.
Du machst die Initiativen dafür, dass sich die Menschen wohler fühlen und irgendwie ankommen können. Ein gutes Beispiel dafür ist deine Aktion an Hauptbahnhof 2015, bei der du Flüchtige und asylbedürftige Menschen mit einem Schachbrett begrüßt hast. Was sind die Gründe für deine Projekte? Man muss sich vorstellen wie das war für diese Leute ist. Die kamen von der ungarischen Grenze, sind gelaufen, denen ist nachgetreten worden, die haben Schreckliches erlebt. Mir war völlig egal warum sie flüchten, mir war wichtig, dass diese Menschen das Gefühl haben, dass sie wo ankommen können und dass man sich auf Augenhöhe begegnet. Jedenfalls war diese Bewegung im Jahr 2015 (Train of Hope) mit relativ viel Reiseverkehr verbunden und ich glaube, dass nicht einmal ein Prozent von allen Durchreisenden tatsächlich in Österreich geblieben sind. Da kam auch das erste Mal der Satz aus der Politik auf „Diese Menschen müssen sich integrieren wollen.“ Ich dachte dann darüber nach und überlegte was man dafür braucht. Und das Einzige worauf ich gekommen bin war die “Begegnung”, man braucht die Begegnung mit Menschen. Da habe ich eben angefangen Turniere zu planen. Das Schwierigste war nicht die Organisation eines schönen Saals oder der Bretter, ich habe geschaut, dass das Teilnehmerfeld zur Hälfte aus Neulingen und zur Hälfte aus Leuten der Schachwelt Österreichs besteht.
Also verlangt wird von den Leuten die hier einwandern, dass sie etwas tun, nämlich sich zu integrieren und das auch noch wollen müssen. Das kann man ja eigentlich so nicht stehen lassen oder? Das ist eigentlich das Lustige, wenn man das so sagt, dann bedeutet das doch in Wirklichkeit gar nichts. Also damit kann keiner etwas anfangen. Man sollte doch einfach einmal die Sache umdrehen. Fragst du jemanden “Was macht denn einen Österreicher aus?”, und man bekommt dann als Antwort „Keine Ahnung, Schnitzel essen!?“, dann ist das sehr schwierig einem Neuankömmling zu vermitteln. Ich bin der Ansicht, dass mit Integration oft assimilieren gemeint ist. Also die eigene Kultur ad acta legen und das ist einfach ein Blödsinn. Was ich aber schon gelernt habe ist, dass man Sachen probieren sollte. Und das kann man schon verlangen. Das was uns fehlt ist oft nur ein gemeinsamer Zugang und den bietet mir der Schachsport. Ich habe Projekte organisiert und auf einmal sind wunderbare Sachen passiert.
Was genau? Naja, beim beim Blitzschach ist es so, dass du zum Spielort kommst, dann wirst du einem Gegner zugeordnet und bevor du dich hinsetzt und das Spiel beginnt, gibt man sich einander die Hand und schaut sich in die Augen. Insofern ist Schach eine Art von Respektsport, vorausgesetzt ist nur, dass du ein bisschen logisch denken kannst. Das macht sehr viel Voreingenommenheit weg. Du siehst einer Person nicht an wie stark sie spielt – das ist noch eine Extraperle beim Schach. Du siehst nicht am Aussehen oder am Alter, wie die Menschen spielen können. Und im Prinzip solltest du das fürs Leben mitnehmen. Nämlich das Learning Leute nicht nach ihrem Aussehen oder Auftreten einzuschätzen, sondern jedes Mal möglichst unvoreingenommen in eine Situation hineinzugehen. Ein anderes Beispiel: Nach meinem ersten selbstorganisierten Turnier haben sich zwei gefunden, die sich dann dazu entschieden haben „tandem-artig“ zu lernen. Der eine wollte Deutsch lernen, der andere Arabisch. Und solche Dinge haben sich einfach ergeben. Ich habe auch viele Menschen in Vereine gebracht, was für einen Fremden wichtig ist. Du brauchst ein soziales Umfeld, wo du regelmäßig hingehst und die Leute sagen: „Hey Mohammed, cool, dass du wieder da bist!“, das hilft irrsinnig. So verstehe ich Sport und Integration. Wobei mir “zusammenhalten” besser gefällt.
Das bringt einen doch auf den Gedanken, dass dieser Satz „man soll sich integrieren wollen“ eigentlich ersetzt werden muss „ich möchte mit den Leuten zusammenarbeiten wollen“ oder? Genau, vielleicht ist es machbar das „du musst dich integrieren wollen“ aktiver zu gestalten und zu sagen „ich bin neugierig auf dich und mit was du uns bereicherst.“ Unsere Dinge wirst du kennenlernen, je länger du da bleibst. Du wirst alle Schnitzel der Welt essen und deinen Platz finden, der Sport hilft dir dabei.
Wer mehr zu Kineke Mulder und ihren Projekten für und mit Menschen erfahren will, der sollte sich einen Blick auf ihre Homepage nicht entgehen lassen: www.chess.mulder.at Bei folgenden Betriebssport Meisterschaften ist sie höchstpersönlich anzutreffen: 1. ÖBM Tauchschach & 3. ÖBM Schach
Der ÖBSV möchte neben Gesundheitsthemen auch die Gemeinschaft und das Team fördern. Unter dem Leitspruch “Sport = Zomhoitn (Zusammenhalten)” arbeitet der Verband für die Inklusion, Integration und Teilnahme aller Menschen im Betriebssport.
Weitere Informationen erhalten Sie unter info@firmensport.at oder unter der +43 664 170 68 39. Mehr erfahren? Auf unseren Social Media Kanälen ist einiges los: